Was mit einem Flyer zur Quartiersratswahl vor der Haustür begann

Der Quartiersrat, derzeit bestehend aus 18 Mitgliedern, gestaltet das Zusammenleben und das Lebensumfeld im Kiez aktiv mit. Das Gremium setzt sich mit aktuellen Entwicklungen, Grundproblemen im Gebiet sowie Handlungsmöglichkeiten auseinander. In Diskussionen werden Strategien der Quartiersentwicklung und Verbesserungsmaßnahmen erörtert. Doch was heißt das eigentlich konkret? Ein Gespräch mit Quartiersratssprecher Fabian Steinecke.

© Christopher Kunz

Fabian Steinecke arbeitet beim Initiativenforum Stadtpolitik Berlin, das stadt- und mietpolitische Initiativen unterstützt. Seit fünf Jahren wohnt er im Quartier Zentrum Kreuzberg/ Oranienstraße und engagiert sich seit 2019 als Quartiersratssprecher.

Fabian, wie kam es zu deinem Engagement im Quartiersrat?

F.S.: Bei mir war es Zufall, dass ich vor zwei Jahren zum Quartiersrat gekommen bin. Damals hatte ich vor meiner Haustür einen Flyer zur Quartiersratswahl gefunden. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich auch, dass ich mich mehr ehrenamtlich engagieren und aktiv in der Nachbarschaft einbringen will. Dann habe ich mich informiert, was man beim Quartiersrat macht – das war mir vorher nicht bekannt. Natürlich muss man dafür auch die Zeit haben. Bei mir ist es generell so, dass ich flexibel arbeiten kann, das macht das Engagement einfacher.

Wie viel Zeit braucht man denn?

F.S.: Gar nicht so viel. In der vorigen Wahlperiode traf sich das Gremium monatlich, jetzt ein wenig seltener. Generell muss man aber bei den Treffen nur anwesend sein und Lust haben, sich zu beteiligen. Für uns Quartiersratssprechende – also für Marie Schubenz und mich – ist es natürlich ein bisschen mehr Arbeit: mit den QM-Team überlegen wir, welche Themen in den Sitzungen besprochen werden können. Zusätzlich nehmen wir einmal monatlich an den Steuerungsrunden mit QM, Bezirk und Senat teil. Bei den Steuerungsrunden haben die Sprecherinnen der Quartiersräte auch ein Votum, z.B. für die Beurteilung von Projekten.

Und worum geht es bei den Quartiersratsitzungen?

F.S.: Bei den Sitzungen geht es um die Belange im Quartier: welche Ressourcen und Probleme gibt es, wie kann man etwas verbessern. So haben wir im Sommer auch eine Runde durchs Quartier gemacht, um zu schauen: Wo sind Baustellen, welche Themen sind wichtig. Das sind große und kleine Themen, uns beschäftigt zum Beispiel die Müllbelastung am Kotti, Sicherheit, Drogenkonsum und was es für Projektmöglichkeiten gibt. Die Themen sind immer direkt auf das Quartier und auf die Lebensrealität der Nachbarschaft bezogen.

Im September 2021 sind wieder Quartierswahlen. Wirst Du wieder kandidieren?

F.S.: Ja. Für den Quartiersrat auf jeden Fall. Es war diesmal kein normaler Turnus. Das ist schade, denn der Quartiersrat bildet wirklich die Menschen ab, die hier wohnen – viel mehr als in allen anderen Gremien, Initiativen und Gruppen, in denen ich unterwegs bin. Man hat sich aber 2020 sehr wenig gesehen, denn Online-Sitzungen waren für einige schwierig.

Was würdest du einer Person, die sich aktuell für den Quartiersrat interessiert, mitgeben?

F.S.: Ich finde Beteiligung super wichtig und dass es überhaupt so ein Instrument wie die Quartiersräte gibt. Es sollte viel mehr solche und noch einflussreichere Bürgerbeteiligungsinstrumente geben, um Menschen, die vor Ort wohnen, noch mehr einzubinden. Im Quartiersrat kann man bei einigen Sachen mitreden und bekommt mehr im Kiez mit, lernt zum Beispiel neue Leute kennen. Ich treffe jetzt auf der Straße viel mehr Menschen, die ich kenne.

Zum Schluss: Was würdest du gern im Kiez umgesetzt sehen?

F.S.: Es gibt mehrere Baustellen: das Thema Verdrängung und Touristifizierung in der Oranienstraße, Späti an Späti und hippe Kneipen nebeneinander. Da müssen Leute, die schon lange hier wohnen, wegziehen. Es gibt viele Menschen, die keine Wohnungen haben oder Drogenkonsument*innen. Dafür fehlen immer noch ausreichend Auffangoptionen.

Die Sicherheit im öffentlichen Raum ist natürlich auch oft ein Thema. Ich selbst nehme den ganzen Kiez immer sehr sicher wahr, fühle mich hier wohl, aber ich bin eben auch ein privilegierter weißer Mann. Auch im Quartiersrat nehmen das einige anders wahr.

Was hier im Quartier total fehlt, sind Angebote für Jugendliche. Es gibt die Naunynritze, aber viele Jugendliche wissen gar nicht, wohin mit sich. Das war auch schon zu Corona-Zeiten so und jetzt noch mehr. Es stellt sich die Frage, wo sie aufgefangen und abgeholt werden bei fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Infos zum Quartiersrat:

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Mehr Infos zu den Quartiersratswahlen 2021:

www.qm-zentrumkreuzberg.de/Aktuelles/