„Was sind Müllhelden?“

Diese Frage bekommen Lorena Terzi und Ricardo Valdivia gerade oft zu hören. Seit Anfang Juli sind sie etwa zwei Mal pro Woche für zweieinhalb Stunden an verschiedenen Stationen am Kotti unterwegs – auch bei Regen.

QM ZKO
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Sie tragen grün-schwarze Kleidung und in der Hand eine große Fahne mit der Aufschrift „Müllhelden statt Müllhalden“. Das fällt auf. Nein, sie wollen nichts verkaufen. Nein, sie sind nicht von den Grünen. Sie sprechen mit Passant*innen und Bewohner*innen über das, was in vielen Ecken oder auf dem Straßenpflaster liegt: weggeworfene Plastiktüten, Zigarettenstummel und anderer Müll wie Verpackungen oder Sperrmüll

Das über das Quartiersmanagement geförderte Projekt „Müllhelden statt Müllhalden! Einsatz für einen sauberen Kiez“ wird vom Verein Kulturlabor Trial&Error durchgeführt. Es umfasst Kiezforen, Putzaktionen und Upcycling Workshops, die u.a. an den Wochenenden durchgeführt werden. Dabei werden beispielsweise Masken und Kostüme aus Recyclingmaterial wie altem Papier gebastelt.

„Die Idee der Workshops ist es, Plastiktüten, Tetra Paks oder Altpapier anders zu verwenden“, sagt Projektkoordinatorin Ruta Vimba. Wenn man erst mal überlegt, was aus dem Material noch entstehen könnte – ein Lampenschirm oder ein Vogelhäuschen – ist es auch kein Müll mehr.

Lorena und Ricardo sind das „Waste Influencer“-Team und zeigen am Kotti Präsenz. Ähnlich wie bei „Influencer*innen“, die Videos und Fotos zu Lifestyle, Musik oder politischen Anliegen in sozialen Medien posten, wünschen sich die „Waste Influencer*innen“, dass die Menschen die Idee der Müllvermeidung verbreiten und teilen.

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Das klappt beispielsweise über die kleinen Taschenaschenbecher mit dem Projektlogo, den die beiden an Interessierte verteilen. Wird er benutzt, kommen bei den Treffen mit Freunden oder Nachbar*innen oft Nachfragen, was denn Müllhelden überhaupt seien. Eine andere Erfolgsgeschichte: Nach ihrer ersten Runde beim Block 87 haben Ricardo und Lorena nach einigen Tagen einen Nachbarn wiedergetroffen. Er macht jetzt von sich aus sein Umfeld regelmäßig sauber. „Das Projekt hat mich inspiriert“, sagt er den Influencer*innen.

Dem „Waste Influencer*innen“-Team geht es nicht um eine Intervention mit dem moralischen Zeigefinger, ihre Vorgehensweise ist freundlich und spielerisch: „Willst du ein Spiel spielen?“, fragt mich Ricardo. Na gut. „Was gehört nicht in die Bio-Tonne? A: Verschimmelte Speisereste, B: Gespritztes Obst und Gemüse, C: Hundekot oder D: Gekochte Speisereste.“ Ich überlege. Eigentlich enthält Dünger organische Verbindungen – auch von tierischen Ausscheidungen. Aber Hundekot? Igitt. „C“, sage ich. „Richtig!“, lobt Ricardo und schenkt mir einen Taschenaschenbecher. „Hundekot kann Krankheitserreger und Parasiten enthalten. Deswegen gehört er nicht in die Biotonne“, erklärt er.

QM ZKO, Lorena Terzi, Ruta Vimba und Ricardo Valdivia

Während wir uns auf dem Platz zwischen Kottbusser-, Skalitzer- und Reichenberger Straße unterhalten, fährt eine Kehrmaschine der BSR an uns vorbei. Daneben findet eine kleine Demo statt. Der Kotti ist vielfältig und bunt, aber er ist auch hektisch und laut. „Es ist auch kompliziert, hier etwas zu ändern“, räumt Lorena ein. Manchmal müssten sie sich auch distanzieren, denn nicht alle Menschen reagieren offen und freundlich. Ricardo berichtet: „Viele Leute sind skeptisch, wenn sie das Wort Müll hören. ‚Es muss einfach dreckig bleiben‘, sagen manche“. Andere hätten sich selbst lange engagiert, die Ideen sind ihnen dabei ausgegangen.

Doch die zwei Influencer*innen lassen sich nicht entmutigen und bringen frischen Wind an den Kotti: „Wir haben viel Energie und ein Programm“. Manchmal sind es auch die Kinder, die Gesprächs-Brücken schlagen: Denn zu erfahren, wer die Influencer*innen in grün-schwarz sind, ist spannend.

Natürlich hat das Corona-Virus auch seinen Einfluss auf das Projekt. „Manche Menschen sagen, sie hätten jetzt ganz andere Probleme als Müll“, sagt Ruta. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Akteur*innen im Kiez konnte erst mal nicht so eng stattfinden wie geplant. „Es stellt sich auch die Frage, wie Nachbarschaftsarbeit zukünftig aussehen wird“, meint die Projetkoordinatorin. Vielleicht müsse es weg gehen von der Idee, dass sich immer alle zusammen an einem Ort treffen. Vielleicht lieber in kleinen Gruppen – die Zeit wird es zeigen.

Bis sich die Nachbarschaftsarbeit neu erfunden hat, zeigen die Influencer*innen erst mal Präsenz. Bekannt sind sie schon mal: „Ach, die Müllhelden!“, ruft ein Passant zu und winkt.

Einsatzzeiten der Waste-Influencer*innen:

August

  • 03 und 07. August 2020, 16:00-18:30: Straßenspitzen rund um Mittelinsel
  • 10., 11., 24. und 25. August 2020, 16:00-18:30: Oranienplatz/Ecke Erkelenzdamm
    1. August 2020, 16:00-18:30: Straßenspitzen rund um Mittelinsel

September

  • 15., 18. und 19. September 2020, 16:00-18:00: Oranienplatz/Ecke Erkelenzdamm, Block 87 und Straßenspitzen rund um Mittelinsel

Am 19. September 2020 ist im Rahmen des „World Clean Up Day“ eine Putzaktion geplant.

Die Aktiven des Projekts sind auch auf Facebook und Instagram unterwegs.

Mehr zu "Müllhelden statt Müllhalden! Einsatz für einen sauberen Kiez!" gibt es auch auf qm-zentrumkreuzberg.de.

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