Am Mittwoch war der Kotti anders: Kinderdemo und lange Tafel

Das Kottbusser Tor ist dreckig und laut, viele Menschen nehmen Drogen, und der Verkehr ist eine Katastrophe. Solche Sätze haben Sie wahrscheinlich schon oft gelesen. Am 10. Oktober 2018 war etwas anders an der Straßenkreuzung, die von vielen liebevoll „Kotti“ genannt wird. Denn am Vormittag weihten Schüler*innen der Jens-Nydahl-Grundschule ihr Kunstprojekt am Kotti lautstark mit einer Demo ein, für die sogar der Verkehr 30 Minuten ruhte. Nachmittags lud dann eine lange Tafel – „Das Kotti-Wohnzimmer“ – zum Verweilen ein.

Foto: Kiezreporterin QM ZKO

Mit kreativen Ideen fangen Veränderungen an

An der Hochbahn der U1 hängen nun bunte Bilder im Großformat. Sie sind nicht zu übersehen und zeigen den Kotti, wie ihn sich die Grundschüler*innen wünschen: in vielen Farben mit der beliebten Eisdiele, dem Blumenladen und dem Kino. Daneben gibt es auch Bilder mit der U-Bahn als Raupe, umsäumt von Einhörnern und lebendigen Eistüten – oder mit dem Springbrunnen am Café Südblock als Schokoladenbrunnen.

Foto: Kiezreporterin QM ZKO

„Ich wünsche mir Häuser für Obdachlose und weniger Scherben – der Kotti soll „sauber sein“, sagt ein Schüler der 5b am Mikrofon. Hinter ihm stehen seine „Mitschüler*innen und halten ihre bunten Demoplakate in die Höhe. Mehr Blumen“, „Macht den Kotti bunter“ oder Dass ihr den Kotti besser behandelt“, steht auf „den Transpis. Die Trommel-AG von Vincentino e.V. gibt den Demo-Rhythmus vor.

Künstler*innen machen Schule

Zwei Monate lang hat Kotti-Coop e.V. an der Grundschule ein unterrichtsintegriertes, aus Mitteln des Programms „Soziale Stadt“ (seit 2020 "Sozialer Zusammenhalt") gefördertes Kunstprojekt durchgeführt. „Die Zusammenarbeit mit schulexternen Künstlern wie Alexander Kaltenborn war großartig für die Kinder. So haben sie viel über künstlerische Berufe erfahren, ganz außerhalb des Kunstlehrplanes“, erzählt die Lehrerin Annika Wolter. Die stellvertretende Schulleiterin, Barbara Jürgens-Streicher, lernte Herrn Kaltenborn über die Arbeit im Quartiersrat kennen und so ist die Kooperation dann zustande gekommen.

Die Schüler*innen vor dem Protest-Gecekondu der Mietergemeinschaft Kotti & Co

Auch Monika Herrmann (Grüne) ist zur Demo-Vernissage gekommen. „Toll, dass ihr euch mit eurem Zuhause beschäftigt. Jetzt müssen wir uns Gedanken machen – der Kotti ist gerade wenig blumig“, sagt die Bezirksbürgermeisterin und ermutigt die Schüler*innen: „Seid laut!“. Das lassen sie sich nicht zweimal sagen und ziehen trommelnd um den Kotti. Begleitet werden sie von fünf Polizeiautos, die „auf den Verkehr aufpassen“ und von der Brennpunktstreife. Für viele Polizist*innen war es die erste Kinderdemo überhaupt: „Heute erleben wir den Kotti von einer ganz anderen Seite“, sagt ein Beamter der Brennpunktstreife.

Die Tafel ist gedeckt

Ein paar Stunden später startet am Kotti die nächste Aktion: An der Kreuzung vor der Reichenberger Straße stehen etwa zehn sorgfältig gedeckte Tische und Bierbänke. Auf den Papiertischdecken steht in bunter Schrift: „Was müsste sich am Kotti verändern?“ oder „der Kotti in drei Worten“. Außerdem stehen Kaffee, Kuchen, Blumen und Spiele auf den Tischen, es gibt Musik, einen Tischkicker und eine „Fotobox“.

Foto: Kiezreporterin QM ZKO

„Heute haben wir das Wohnzimmer nach draußen verlagert“, erklärt Martin „Proschmann vom Café SehnSucht. Die Idee existiert schon lange, nun gab der „Aktionsfonds Anstoß und Möglichkeit zur Umsetzung. Das Café in der Skalitzer „Straße 133 ist eine Anlaufstelle für Menschen mit Unterstützungsbedarf, häufig „im Kontext von Suchtmittelabhängigkeiten.

Foto: Kiezreporterin QM ZKO

Mit Liebe begegnen

Im Kotti-Wohnzimmer ist es gelungen, dass sich die unterschiedlichsten Menschen aus der Nachbarschaft begegnen. Familien lassen ihre Kinder schminken, es wird gemalt und gebastelt; Nachbar*innen, die schon lange Tür an Tür leben, lernen sich kennen. „Das ist heute mal etwas andere als im Alltag: Man wird eingeladen“, sagt ein Nachbar. Ein weiteres Highlight war neben der ehrenamtlich gebackenen Kuchenauswahl ohne Frage der Kotti-Tischkicker, der eigens für das Event mitgebracht wurde. Gerne würde Martin Proschmann das Kotti-Wohnzimmer regelmäßig aufbauen, ähnlich wie in Reinickendorf. „Dort ist das schon eine echte Institution im Kiez und es kommen um die 60 Leute“.

Martin Proschmann. Foto: Kiezreporterin QM ZKO
Der beliebte Tischkicker. Foto: Kiezreporterin QM ZKO